Betriebsschließungsversicherung

Urteil zugunsten 4-Sterne-Wellness-Hotel, LG Darmstadt 28 O 128/20, Urteil vom 14.12.2020

Betriebsschließungsversicherung

Die auf Versicherungsrecht spezialisierte 28. Kammer des Landgerichts Darmstadt hat dem Anspruch der Betreiberin eines Wellness-Hotels in Bayern auf Zahlung der geltend gemachten Versicherungsleistung infolge behördlich angeordneter Betriebsschließung stattgegeben.
Die Kammer hat die Rechtsfrage, ob das COVID-19 auslösende Corona-Virus in der streitgegenständlichen Betriebsschließungsversicherung versichert ist, bejaht.
Dass der klägerische Betrieb aufgrund öffentlich-rechtlicher Schließungsverfügung - im vorliegenden Fall durch die vom Freistaat Bayern den erlassenen Rechtsverordnungen - und nicht durch Verwaltungsakt geschlossen wurde – beseitigt die Eintrittspflicht des Versicherers nicht.

Zum Umfang des Versicherungsschutzes:

Die Kammer war der Auffassung, dass die in den streitgegenständlichen Versicherungsbedingungen zur Konkretisierung der versicherten Krankheiten und Krankheitserreger von der Beklagten verwendete Klausel auslegungsbedürftig ist.
Die streitige Klausel lautete wie folgt: Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne dieser Bedingungen sind die folgenden, im Infektionsgesetz in den §§ 6,7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger. Sodann werden die Krankheiten und Krankheitserreger katalogmäßig aufgezählt.

Die Formulierung „folgende“ mit dem Verweis auf das Infektionsgesetz sei mehrdeutig. Mehrdeutigkeit liege immer dann vor, wenn mindestens zwei Auslegungen rechtlich vertretbar sind. Für den Versicherungsnehmer stelle sich bei verständiger Würdigung der Klausel die Frage, ob Versicherungsschutz nur für die im Katalog erfassten Krankheiten und Krankheitserreger (statische Verweisung) bestehe oder ob der Versicherungsschutz auch für Krankheiten und Krankheitserreger gelte, die erst während des Bestehens des Versicherungsverhältnisses neu aufgetreten sind. Beide Auslegungen seien möglich.

Nachdem Unklarheiten zu Lasten des Verwenders einer mehrdeutigen Klausel gehen, entschied die Kammer zugunsten der Versicherungsnehmerin, dass auch Covid-19 und das Coronavirus, obwohl nicht im Katalog aufgeführt vom Versicherungsschutz umfasst sind. Schließlich sei in der streitgegenständlichen Klausel auch nicht ausdrücklich klargestellt, dass etwa „nur die folgenden“ Krankheiten und Krankheitserreger versichert sein sollen.

Bei der Auslegung der Klausel wurde von der Kammer auch berücksichtigt, dass der Versicherer auf seiner Homepage noch Mitte März 2020 aktiv damit warb, dass er unter den bestehenden Versicherungsbedingungen Versicherungsschutz auch für COVID-19 und das Corona-Virus gewährt.

Nach Auffassung des Landgericht Darmstadt setzte der Versicherer also die Ursache dafür, wie der Versicherungsnehmer den Versicherungsumfang verstehen durfte.

Auch wenn von einer statischen Verweisung auszugehen wäre (der Katalog also abschließend wäre), wäre die Klage dennoch begründet. Es bestünden mehrere Verstöße gegen das vom Verwender allgemeiner Vertragsbedingungen zu beachtende Transparenzgebot. Klauseln, die gegen das Transparenzverbot verstoßen werden nicht Vertragsbestandteil. Es gilt die aktuelle gesetzliche Regelung. In der aktuellen Fassung des Infektionsschutzgesetzes sind Covid-19 und das Corona-Virus als meldepflichtig erfasst.

Im vorliegenden Fall ergibt sich die Intransparenz bereits daraus, dass die Versicherung in den Versicherungsbedingungen auf ein „Infektionsgesetz“ verweist, also auf ein Gesetz, das es nicht gibt.

Allerdings sei die Klausel auch deshalb intransparent, weil eine Vollständigkeit suggeriert wird, die bei Vertragsschluss nicht gegeben war. Um Versicherungslücken zu erkennen, hätte der Versicherungsnehmer die Bedingungen mit dem Gesetzestext abgleichen müssen. Dass der Versicherungsnehmer so vorgehen müsse, um Lücken zu erkennen, benachteilige ihn unangemessen.

Die Kammer machte zudem deutlich, dass ein - rechtlich zulässiger - Außerhaus-Verkauf der Klägerin nicht zuzumuten war. Die Anrechnung der Corona-Soforthilfe und des Kurzarbeitergeldes auf die vereinbarte Entschädigung wurde von der Kammer verneint.

Das Urteil des Landgerichts Darmstadt reiht sich in die für die Versicherungsnehmer positiven Entscheidungen der Landgerichte München und Mannheim ein und stärkt die Position der Versicherungsnehmer weiter. Rechtskräftig ist das Urteil noch nicht.

Aus einer oder mehreren für die Versicherungsnehmer günstigen Entscheidungen kann nicht der Schluss gezogen werden, die Gerichte würden in allen Fälle identisch entscheiden. Die von den Versicherern verwendeten Bedingungen unterscheiden sich, manchmal zwar nur in einzelnen Formulierungen. Auf die Formulierung kommt es jedoch an.

Die im Zusammenhang mit dem Versicherungsschutz von Covid-19 auftretenden Fragen sind vielschichtig. Eines ist allen Versicherungsfällen gemeinsam: Es ist immer der Einzelfall zu beurteilen.

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